Haushaltsrede Roland von Hunnius (FDP-Fraktion) in der Gemeindevertretung Rimbach am 29.01.2020
2 Fragen beherrschen gemeinhin die HH-Debatte:
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Wie viel Personal wird
beschäftigt, wie viel Geld wird ausgegeben, und wie wird der
Haushalt finanziert?
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Wofür werden das Personal
und das Geld eingesetzt, und welche Ziele werden damit erreicht?
Ich starte heute mit der zweiten Frage. Denn sie ist die wichtigere. Die Bemessung und Zuordnung der erforderlichen Ressourcen folgt daraus. Zunächst die Ziele, dann die Zahlen.
Beginnen wir also mit den Zielen:
Im HH-Entwurf heißt es
durchweg: „Zukunftsziele
müssen noch definiert werden“.
Dieser
Satz findet sich mindestens seit 2012 in den Haushalten der Gemeinde
Rimbach. Wenn er neun Mal in den Haushalt aufgenommen wird, liegt die
Frage nahe: Wann
sollen die Zukunftsziele definiert werden?
Oder ist der Satz nur ein Platzhalter für etwas, das nie kommen
soll?
Anstelle
von Zielen ist im Haushalt immer wieder ein Loch. Mit Tucholsky
könnte man sagen: „Ein
Loch ist da, wo etwas nicht ist.“
Diese Feststellung
macht ein Dilemma deutlich: Wir
reden in der GVe und den Ausschüssen viel über Einzelpositionen,
aber zu wenig über das große Ganze, viel über den Weg, aber zu
wenig über Ziele.
Denken
wir groß!
Im
Haupt- und Finanzausschuss hat Bürgermeister Schmitt mit Recht
betont, über Ziele könne nur die Gemeindevertretung entscheiden.
Stimmt. Aber dafür braucht die GVe eine Entscheidungsgrundlage.
Wenn deren Ausarbeitung keine bloße Fingerübung bleiben, sondern
künftige HHe bestimmen soll, brauchen wir eine breit angelegte,
professionell moderierte
Debatte unter
Einbeziehung der Rimbacher Bevölkerung. Diese wiederum muss nach
Überzeugung der FDP-Fraktion auf einer gesicherten
Grundlage fußen,
die drei Fragen beantwortet:
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Wie ist die
Situation der
Gemeinde Rimbach einschließlich der Ortsteile?
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Welche Chancen
hat Rimbach?
-
Wie soll die Zukunft
Rimbachs aussehen?
Von
diesem Ausgangspunkt gestalten sich der Haushalt und die
mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung.
Die
GVe hat auf Antrag der FDP-Fraktion nach jahrelangen Erörterungen
und Abwägungen beschlossen, die Aufstellung eines
Gemeindeentwicklungsplans
anzustreben. Das
ist ein unbequemer, aber erforderlicher Prozess. Er zwingt uns alle –
Bürger und Mandatsträger – dazu, uns mit der Zukunft unserer
Gemeinde sowie den Haupt-, Neben- und Unterzielen zu beschäftigen,
die wir uns gemeinsam vornehmen und gemeinsam erreichen wollen.
Im
Haushaltsplan findet sich dazu im
Produkt „Bau- und Zukunftsplanung“ eine Aufwandsposition von
25.000 €. Dieser
Ansatz kann bei Bedarf verstärkt werden aus einem Teil des Produkts
„Statistik und Wahlen“ – dem Teil, der in 2020 nicht im Rahmen
der Durchführung von Wahlen benötigt wird. Die FDP-Fraktion freut
sich, dass ihr Anliegen damit endlich zu einem Anliegen der gesamten
GVe und zur Aufgabe des GVo wird.
Der
Plan wird nicht erstellt, um einen Plan zu erstellen.
Sondern er reflektiert die Zukunft, die wir uns für die Gemeinde
Rimbach wünschen, und beschreibt den Weg dorthin.
Wir
wollen eine gesicherte Zukunft für Rimbachs Bürgerinnen und Bürger
in einer prosperierenden, der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung
verpflichteten Gemeinde mit adäquater Infrastruktur in gesunder
Umwelt – unter der strikten Nebenbedingung stabiler Gemeindefinanzen.
Dieses Leitbild ist mit Inhalt zu füllen, in Zahlen, Daten und Fakten zu unterfüttern und in Umsetzungsschritte zu gliedern.
Begleitend zur Arbeit der gemeindlichen Beschlussgremien hatte Rimbach früher als andere 2 Megatrends aufgegriffen und versucht, kommunale Lösungsvorschläge für die vorort zu erwartenden Herausforderungen zu finden:
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Der Energierat
sollte sich darum kümmern, was Klimawandel und Energiewende
bedeuten und welche Strategie für Rimbach daraus folgt.
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Der Demografierat
sollte ausloten, was geschehen muss, um die Auswirkungen des
demografischen Wandels abzufedern.
Beide haben gute Arbeit geleistet, tagen aber seit längerer Zeit nicht mehr. Die FDP findet: Es ist höchste Zeit, auf beiden Feldern die Arbeit weiterzuführen – in welcher organisatorischen Form auch immer, z.B. im Rahmen von Fachausschüssen.
-
Zurück zur Frage von
Zielen. Es fehlen
weitestgehend konkrete, quantitative Ziele, an denen sich der Erfolg
von Strategien messen ließe. Leider fehlen – wie in den Vorjahren
– auch leistungsbezogene
Kennzahlen. Eine
Position durch die Einwohnerzahl zu dividieren, ergibt noch keine
Leistungskennzahl. Die Anregungen der FDP-Fraktion zur Aufstellung
von Kennzahlen lassen sich spätestens seit 2014 verfolgen. Wir
behalten uns vor, dieses Thema aufzugreifen.
-
Wenn es schon keine
aussagefähigen Kennzahlen gibt, wäre für Gemeindevertreter und
Gemeindevorstand zumindest ein Vergleich zwischen Kommunen gleicher
Größenordnung und ähnlicher Lage hilfreich. Dazu habe ich mir in
2016 erlaubt, dem Bürgermeister einen Vorschlag zu unterbreiten.
Immerhin beteiligen sich in unserem Einzugsbereich bereits
Mörlenbach, Alsbach-Hähnlein, Biblis und Einhausen an einem
Vergleichsring.
Der Vorschlag stieß beim Bürgermeister auf Sympathie, wurde aber
bisher nicht umgesetzt. Auch zu diesem Thema überlegt die
FDP-Fraktion eine Initiative.
Beides – Kennzahlen und interkommunale Vergleiche – sind unerlässliche Mttel, die HH-Transparenz zu verbessern, „best practice“ zu identifizieren und Effizienzreserven aufzuspüren.
Einen
Gemeindeentwicklungsplan vorzubereiten, kann natürlich nicht heißen,
dass bis zu dessen Fertigstellung die Hände in den Schoß gelegt
werden. Deshalb
enthält der HH-Entwurf richtigerweise eine Reihe von Projekten und
Investitionen, die nicht warten können (Beispiele):
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Straßenunterhaltung
-
Einstieg in die grundhafte
Erneuerung von
Straßen (Bismarckstraße)
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Grundsanierung und Anbau
Gemeindekindergarten
Für den
ev. Kindergarten ist
vorgesehen,in
2022 von
der Kaufoption
Gebrauch zu machen.
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Sanierung der
Waldbachverdolung.
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Umbau des Fußweges
zwischen Waldstraße und Ölgärtchen
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Fußweg entlang der
Weschnitz
(Planungskosten)
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Sanierung der Pfalzbachhalle
(Fortführung)
Alles
dies ist sinnvoll und erforderlich.
Drei
Positionen hätten wir uns dringend im HH gewünscht, die in 2020
leider nicht geplant sind. In allen drei Fällen ist die Gemeinde von
der Entscheidung bzw. Zustimmung anderer Gremien oder Instanzen
abhängig und kommt nicht recht voran.
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Neubau bzw. Sanierung der
Mehrzweckhalle an
der Brüder-Grimm-Schule.
Wir warten auf den Kreis, warten und warten. Die Schülerinnen und
Schüler der BGS, die sonstigen Nutzer, die gesamte Bevölkerung von
Rimbach – alle haben verdient, dass der EB Schule und
Gebäudewirtschaft endlich „sein Ei legt“, damit die Planung
beginnen kann und der beklagenswerte Zustand der gegenwärtigen
Halle ein Stück Vergangenheit wird.
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Fuß- und Radweg
Albersbach: Das
Vorhaben wird inzwischen vom 2. Bürgermeister – und nun schon in
dessen 2. Amtsperiode – verfolgt. Wir alle wissen um die
Schwierigkeiten, die mit der Topografie zusammenhängen. Ich bin
sicher: mit gutem Willen auf allen Seiten findet sich eine Lösung.
Noch einmal zehn Jahre zu diskutieren, wäre die schlechteste.
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Vorbereitung des
2. Haltepunktes der Weschnitztalbahn.
Die Notwendigkeit ist allgemein anerkannt. Die Gemeinde Rimbach hat
ihre Hausaufgaben erledigt. Jetzt warten wir darauf, dass die
Deutsche Bahn endlich den Haltepunkt für wichtig und dringend genug
hält, die konkrete Umsetzung zu planen.
Ein anderes Projekt hätten wir gern aus dem HH gestrichen, aber es wurde von der GVe beschlossen, und wir Freien Demokraten respektieren selbstverständlich Mehrheitsentscheidungen. Deshalb müssen wir sie aber noch lange nicht gut finden. An unserer kritischen Position zu Abriss und Neubau des Ireneturms hat sich nichts geändert. Der Turm, möge er architektonisch noch so spannend sein, bietet – auch unter Berücksichtigung des Bundeszuschusses – der Gemeinde Rimbach, ihren Einwohnern und ihrem Gewerbe zu wenig Nutzen im Verhältnis zu seinen Kosten. Dass die unmittelbare Nutznießer-Gemeinde Grasellenbach nicht bereit ist, sich an den Kosten zu beteiligen, kommt erschwerend hinzu und ist unbefriedigend.
Nach den Zielen nun zu den Zahlen:
Zum Stellenplan:
Der
Stellenplan
weist insgesamt 61,5 Stellen aus. Das sind 1,5 Stellen weniger als
für 2019 geplant und 7,7 Stellen mehr, als am 30.06.2019 besetzt
waren. Zuwachs ist lediglich im Bauhof (1 Stelle) und in der
Finanzwirtschaft (0,5 Stellen) geplant. Das ist aus unserer Sicht
angemessen.
Nicht
beantwortet ist damit aber die Frage, wie künftig
mit neuen Aufgaben und neuen bürokratischen Auflagen umzugehen
ist. Mit Mehrleistung des bestehenden Teams wird das nur begrenzt
möglich sein. Wir sehen zwei
Wege:
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Die Ausweitung der
interkommunalen Zusammenarbeit auf weitere Bereiche. Zwingenberg
und Alsbach-Hähnlein
haben unter großen Schwierigkeiten einen gemeinsamen völlig neuen
Bauhof erstellt, der zudem noch leistungsfähiger ist als es die
bisherigen Lösungen waren. Einen Bauhof, in dem die Mitarbeiter mit
noch mehr Spaß und Eifer ans Werk gehen und sich wohl fühlen. Die
Gemeinden Mörlenbach
und Birkenau legen
ihre Standesämter zusammen.
Ich bin davon überzeugt, dass
schwankende Mittelzuweisungen, steigender Kostendruck und zunehmende
Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger die Gemeinde Rimbach dazu
zwingen, neue Formen und Inhalte für die Zusammenarbeit
im Weschnitztal zu
suchen. Das muss sich nicht auf den Bauhof beziehen, für den ja in
Rimbach zurzeit kein Neubau ansteht, und vielleicht auch nicht auf
das Standesamt. Es wäre aber angezeigt, interkommunale
Zusammenarbeit proaktiv zu fördern und rechtzeitig eigene Konzepte
dafür zu entwickeln.
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Aus meiner HH-Rede, die ich
vor einem Jahr gehalten habe, zitiere ich: „Digitalisierung ist
mehr als ein Hotspot auf dem Marktplatz und der zurückgestellte
Versuch, Sitzungsunterlagen digital zu erstellen. Die
Digitalisierung von
Verwaltungsvorgängen
muss angegangen werden. Das kann sinnvollerweise aber nur im
Gleichklang mindestens der Weschnitztalgemeinden erfolgen“.
Denken wir groß!
Rimbach sollte
Schrittmacher sein für mehr interkommunale Zusammenarbeit und
Fortschritte bei der Digitalisierung in der Verwaltung.
Zu
Hebesätzen und Beiträge:
Die
Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer bleiben auf dem jetzigen
Niveau. Das ist
eine sehr gute Nachricht für Mieter, Grundbesitzer und
Gewerbetreibende.
Die
Elternbeiträge für Kindergärten ändern sich in 2020 nicht. Das
ist eine sehr gute Nachricht für alle Eltern kleiner Kinder. Die
Gemeinde leistet in diesem Jahr einen Zuschuss
für Kindergärten
und Kleinkindbetreuung in bisher unerreichter Höhe von 2,1
Mio €.
Gut so.
Zum
Ergebnis:
Der
HH schließt mit einem Überschuss
im Ergebnis-HH von
77 T€. Er ist also ausgeglichen und weist darüber hinaus einen
kleinen Überschuss auf. 77 T€ sind eine „schwarze Null“, aber
Vorsicht ist geboten, wenn man die Entwicklung auf der Zeitachse
betrachtet:
2017:
1,6 Mio € Ist
2018:
1,1 Mio € Ist
2019:
177,3 T€ Prognose lt. 2. HH-Zwischenbericht
2020:
77,0 T€ HH-Plan-Entwurf
2021:
59,2 T€ mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung
2022:
25,1 T€ mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung
2023:
283,3 T€ mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung
Hoffen
wir, dass – wie bisher – das Ist letztlich besser ausfällt als
der Plan.
Trotzdem
muss jedem klar sein: In den kommenden Jahren ist eher
„Umschichten“ als „Wachsen“
angesagt. Für große Sprünge müsste an der Steuerschraube gedreht
werden, was wir verhindern wollen und uns allenfalls als letzten
Ausweg vorstellen können.
Zu
Sach- und Dienstleistungen:
Das
Budget für diese Aufwendungen in Höhe von 2,1 Mio € wird mit
besseren oder schlechteren Argumenten um einen Betrag von 705,5 T€,
also mehr als ein Drittel, überschritten. Ehrlicher wäre es,
entweder ein neues –
höheres – Budget festzulegen, in das dann aber alle
Sach- und Dienstleistungen einzubeziehen sind.
Oder das Budget ersatzlos aufzuheben. In der gegenwärtigen Form hat
es keine wirkliche Steuerungsfunktion.
Zu
Investitionen und Krediten:
Das
Investitionsprogramm
umfasst für 2020 einen Betrag von 5,7
Mio €. Über die
wichtigsten Investitionsvorhaben habe ich schon gesprochen.
Die
Investitionen schlagen sich in einem um
5,1 auf 12,3 Mio €
steigenden Investitions-Schuldenstand
nieder. Dazu kommen anteilige Schulden aus der Mitgliedschaft in
Zweckverbänden von
15,0 Mio €.
Das
ist ein Spitzenwert, aber noch kein Anlass zur Sorge, wenn die
Tilgung planmäßig aus Überschüssen und nicht etwa nach dem
„griechischen Modell“ durch bloße Umschuldung erfolgt. Dies wäre
der Gemeinde Rimbach ohnehin untersagt.
Sehr erfreulich ist, dass Rimbach keine Liquiditätskredite aufnehmen muss. Dieser Tatsache verdankt die Gemeinde einen Zuschuss, der die Waldbachsanierung weitgehend finanzieren hilft.
Ein paar abschließende
Anmerkungen:
Die
finanzielle Situation Rimbachs hat sich erheblich verbessert.
Trotzdem sind die Zuschüsse
der Gemeinde so gering wie nötig
zu halten.
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Da fällt mir ein Vorhaben
ein, dass bereits in einem Papier des Hessischen Rechnungshofs von
2016 enthalten war und einer Delegation aus GVe und GVo in Wiesbaden
präsentiert wurde: die Erstellung einer neuen
Feuerwehrgebührensatzung.
Die alte (noch in DM) ist in ihrem 21. Jahr bemoost und hat mit den
tatsächlichen Aufwendungen der Rimbacher Wehren nichts zu tun.
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Über die konsequente
Berechnung der vom
Bauhof für Dritte erbrachten Leistungen
außerhalb der Waldwirtschaft wurde schon oft gesprochen. Es wäre
Zeit, damit zu beginnen.
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Die Pflege gemeindlicher
Grünflächen ist (S. 203) ist allein für den Bauhof mit einem
Aufwand von 95.000 € angesetzt. Es ist einen erneuten Versuch
wert, einen Teil dieser Kosten durch Grünflächenpatenschaften
einzusparen, die von einzelnen Bürgern, Gruppen oder Vereinen
übernommen werden.
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Mehr Verständnis für die
finanzielle Situation und die begrenzten Möglichkeiten der Gemeinde
erhoffen wir uns von einem
Bürgerflyer, der
den Gemeindehaushalt kurz, prägnant und übersichtlich darstellt.
Die GVe hat einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion vom
November 2017 zum Beschluss erhoben. Im Herbst 2019 war der GVo
schon kurz davor, ihn zu erstellen. Nach Verabschiedung des HHs 2020
sollte der Umsetzung nichts mehr im Weg stehen.
Die FDP-Fraktion wird dem Haushaltsplanentwurf und dem Investitionsprogramm zustimmen.