Kommunalpolitik auf Sicht: Gemeindehaushalt in Zeiten der Pandemie

Haushaltsrede Roland von Hunnius (FDP-Fraktion) in der Gemeindevertretung Rimbach am 28.01.2021

Wenn ich richtig gezählt habe, ist es heute das 26. Mal, dass ich für die Freien Demokraten zum HH-Entwurf Stellung nehme. Und das erste Mal, dass ich die HH-Rede nicht vortrage, sondern nur in schriftlicher Form verteile.

Es gab Krisen, weltwirtschaftliche Erschütterungen und konjunkturelle Probleme. Immer mussten wir unsere Entscheidungen unter Risiko treffen, mussten externe Einflussfaktoren eingeschätzt werden. Heute geht es nicht mehr nur um Risiken. Den aktuellen Gemeinde-HH müssen wir unter Unsicherheit verabschieden.

Die wirtschaftliche Erholung, die nach dem ersten Lockdown eingesetzt hatte, ist laut IFO-Institut unterbrochen“. Ob und wann weitere Lockdowns folgen? Welche dauerhaften Auswirkungen diese Maßnahmen auf Wirtschaft und Beschäftigung haben? Ob der Staat in der Lage ist, weiterhin mit eigener Verschuldung gegenzusteuern? Kann sich Rimbach als Insel der Seligen in stürmischer See halten? Wie lange?

Die Annahmen, die dem HH-Entwurf zugrundeliegen, sind nicht unrealistisch – aber es sind auch nur Annahmen.

Zum Gesamtbild

Trotz fast unveränderter Erträge sinkt das Jahresergebnis von 592 TE (Ist 2019) über 103 T€ (Prognose im 2. HH-Zwischenbericht für 2020) tief in den roten Bereich auf ein Minus von mehr als 300 T€. Wäre 2021 ein „normales“ Jahr ohne Pandemie-Sondereinflüsse und hätte die Gemeinde nicht eine Reserve aufgebaut, die nun zum Ausgleich herangezogen werden kann, gäbe es für uns Freie Demokraten nur eine Reaktion: Wir müssten den Haushalt ablehnen und uns mit Fragen wie Einsparungen und/oder höheren Steuern befassen. So jedoch ist der HH nicht begeisternd, unter den gegenwärtigen Umständen jedoch akzeptabel.

Vorsicht ist angebracht angesichts bestimmter Ertragserwartungen:

  • Wird sich das Gewerbesteueraufkommen von 2020 bis 2024 auf dem Niveau des letzten Jahres halten?
  • Ist der Einkommensteueranteil in Coronazeiten mit 5 Mio € und steigender Tendenz realistisch eingeschätzt?
  • Kommt es zu dem unterstellten sprunghaften Anstieg des Umsatzsteueranteils in Coronazeiten um 21 % (Plan 2021 gegen Plan 2020)?

Angesichts dieser Ungewissheiten lohnt ein Blick auf die Aufwandsseite. Kaum eine Aufwandsposition lässt sich kurzfristig so gut steuern wie Sach- und Dienstleistungen (Pos. 12). Ausgerechnet hier wird vom Gemeindevorstand der jahrelang bestehende und recht und schlecht auf dem Topf gehaltene lästige Deckel aufgehoben. Die Deckelung lag bei 2,1 Mio €. Für 2021 sind 3,0 Mio € geplant, also satte 43 % mehr, als wir uns einst vorgenommen hatten. Ein neuer – natürlich höherer – Deckelbetrag als Selbstverpflichtung, den Aufwand für Sach- und Dienstleistungen nicht ausufern zu lassen, wäre uns lieber gewesen.

Sehr positiv ist die Tatsache, dass für 2021 keine direkte Kreditaufnahme der Gemeinde vorgesehen ist. Kleiner Wermutstropfen: Für 2020 waren neue Kredite von 684 T€ geplant. Es ist damit zu rechnen, dass ein Teil der Kredite, die in 2020 nicht aufgenommen wurden, als Kreditermächtigung für 2021 auftauchen und das Bild im laufenden Jahr trüben. Außerdem sind schon für 2022 Neuschulden in Höhe von 1,8 Mio € geplant, die unsere Gesamtverschuldung (nach Tilgung) um 1,2 Mio € nach oben treiben.

Erfreulich ist: Die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer bleiben unverändert.

Im HH-Vorbericht heißt es (S.43): Wichtig ist hierbei auch für die Gemeinde Rimbach eine Priorisierung der Maßnahmen, was wirklich dringlich umgesetzt werden muss, was später oder nie kommen könnte und eine ausreichende Finanzierung neuer kommunaler Aufgaben.

Stimmt. Leider ist die sachbezogene Priorisierung nicht durchgängig zu erkennen. Der HH ist eher eine modifizierte und aktualisierte Fortschreibung der Zahlen aus dem Vorjahr. Die Zahlen wurden – wie es in Haushälterkreisen heißt – „überrollt“.

Ziele, Kennzahlen und IKZ

Prioritäten setzen voraus: Ziele und Leistungskennzahlen.

Zu den Zielen findet sich im HH-Entwurf – wie schon seit mindestens 9 Jahren – der Satz: „Zukunftsziele müssen noch definiert werden“.

Immerhin gibt es hier die Hoffnung auf Besserung: Im HH ist die Position „Gemeindeentwicklungsplan“ aufgeführt und mit 50 T€ dotiert, außerdem ist eine Halbtagsstelle für eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter eingeplant, die oder der Unterstützungsarbeiten für diesen Gemeindeentwicklungsplan übernehmen soll. Der Gemeindeentwicklungsplan ist ein uraltes Anliegen der FDP-Fraktion. Die GVe hat es sich zu eigen gemacht. Es war auch im 2018er und im 2020er HH enthalten, kam aber leider nicht zum Tragen. Ich hoffe sehr, dass eine weitere Vertagung unterbleibt.

Der Plan wird nicht erstellt, um einen Plan zu erstellen. Sondern er reflektiert die Zukunft, die wir uns für die Gemeinde Rimbach wünschen, und beschreibt den Weg dorthin. In unsicheren Zeiten wie diesen ist er wichtiger denn je. Gern wiederhole ich, was wir Freien Demokraten als Leitbild für unsere Gemeinde ansehen:

Wir wollen eine gesicherte Zukunft für Rimbachs Bürgerinnen und Bürger in einer prosperierenden, der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung verpflichteten Gemeinde mit adäquater Infrastruktur in gesunder Umwelt – unter der strikten Nebenbedingung stabiler Gemeindefinanzen.

Dieses Leitbild ist mit Inhalt zu füllen, mit Zielen, Zahlen, Daten und Fakten zu unterfüttern und in Umsetzungsschritte zu gliedern.

Es ist schade, dass von dem einst propagierten Rimbacher Modell aus HH-Konsolidierungs-, Demografie- und Energierat nur noch der HH-Konsolidierungsrat übrig geblieben ist. Vielleicht wagt der neue GVo nach der Kommunalwahl einen Neuanfang?

Zu den Kennzahlen: Leider fehlen – wie schon in den Vorjahren – im HH-Entwurf leistungsbezogene Kennzahlen. Eine Position durch die immer gleiche Einwohnerzahl zu dividieren, ergibt noch keine Leistungskennzahl und bringt keine zusätzliche Erkenntnis. Die Anregungen der FDP-Fraktion zur Aufstellung von Kennzahlen lassen sich spätestens seit 2014 verfolgen.

Wenn es schon keine aussagefähigen Kennzahlen gibt, wäre für Gemeindevertreter und Gemeindevorstand zumindest ein Vergleich zwischen Kommunen gleicher Größenordnung und ähnlicher Lage hilfreich. Der Antrag unserer Fraktion, sich einem Vergleichsring anzuschließen, fand leider in der GVe keine Mehrheit. Der Bgm erhofft sich in diesem Jahr Aufschluss von der Vergleichenden Prüfung der Gemeinde Rimbach durch den Hessischen Rechnungshof. Aufschluss ist zu erwarten – besser wäre aber eine laufende Gegenüberstellung der HH-Positionen Rimbachs mit denen vergleichbarer Gemeinden. Wir behalten uns vor, nach der gesetzlich vorgeschriebenen Wartezeit den Antrag erneut einzubringen.

Beides – Kennzahlen und interkommunale Vergleiche – sind unerlässliche Mittel, die HH-Transparenz zu verbessern, „best practice“ zu identifizieren und Effizienzreserven aufzuspüren.

Effizienzreserven lassen sich auch aufspüren und heben, indem Kommunen mehr als bisher zusammenarbeiten, Aufgaben gemeinsam angehen und das Knowhow der einen Kommune anderen Kommunen zugänglich machen. Das funktioniert von Abfall über Abwasser und Gewässerschutz bis zur IT-Breitbandversorgung.

Digitalisierung ist eine so komplexe Herausforderung, dass auch hier mehr interkommunale Zusammenarbeit sinnvoll wäre.

Zum Investitionsprogramm

Dass wir dem HH-Plan einschließlich des Investitionsprogramms zustimmen, bedeutet nicht, dass wir jede Einzelposition gleichermaßen begrüßen.

Der Bürgerpark Mitlechtern (Investitionssumme: 120 T€) hätte angesichts der unsicheren Gesamtlage warten können, auch wenn wir mit Bundeszuschüssen von 80 TE rechnen.

Beim Um- und Ausbau des Rathaus-Kellergeschosses möchten wir einen Sperrvermerk ausgebracht wissen, damit die Maßnahme nicht an der GVe vorbei, sondern auf Basis eines von der GVe gebilligten Nutzungskonzepts realisiert wird.

Für den Verbindungsweg Am Wolfsberg/Fahrenbacher Straße stehen 80 T€ im Investitionsprogramm. Gemeint ist etwas anderes, als im Programm steht. Das sollte richtiggestellt werden. Auch dazu haben wir einen Antrag eingereicht.

Zum Stellenplan

Mit 64 Planstellen (gegenüber dem 2020-HH-Plan: + 2,5) ist der Stellenplan angemessen. Der Zuwachs resultiert aus gesetzlichen Vorgaben für KInderbetreuung und – wie erwähnt – einer halben Stelle zur Unterstützung der Arbeiten am Gemeindeentwicklungsplan.

Die Übertragung der Personalabrechnung der Gemeinde Rimbach auf den Kreis ist ein sinnvoller Schritt, den wir ausdrücklich begrüßen.

Zusammenfassung

Gegen Ende der laufenden Wahlperiode ist der Blick zurück und nach vorn gerichtet. Von Max Weber stammt der berühmte Satz: Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.

Damit haben wir uns alle mit großem Engagement redlich beschäftigt. Die GVe hat viele gute Entscheidungen getroffen. Manchmal allerdings lag zwischen dem Auftrag der Gemeindevertreter und seiner Umsetzung durch den GVo eine so große Zeitspanne, dass wir Liberale allmählich begannen, an dem Sinn der Veranstaltung zu zweifeln. Das wird bestimmt in der Zeit nach Überwindung der Pandemie besser.

Jetzt geben wir uns der Hoffnung hin, dass dieser HH nach Verabschiedung und Genehmigung unverzüglich seinen Niederschlag in einem neuen Bürgerflyer findet. Denn Bürgerinformation ist Bringschuld.

Die FDP-Fraktion wird dem HH-Plan, dem Stellenplan und dem Investitionsprogramm zustimmen und bittet um Zustimmung zu ihren beiden HH-Anträgen.