„Oh wie schön ist Panama“

„Oh wie schön ist Panama“

oder:

Hochkonjunktur für Pharisäer

Mit dem Aufdecken und der Recherche der „Pananama Papers“ ist der Süddeutschen Zeitung und ihren Kooperationspartnern ein gigantischer Coup gelungen. Allein das Volumen – 11,5 Millionen Dokumente über 214.000 Briefkastenfirmen – überschreitet jedes Vorstellungsvermögen. Wirklich erschreckend aber ist, welche Aktivitäten unbemerkt von der Öffentlichkeit innerhalb eines offensichtlich weltweit gespannten Netzwerks stattfinden. An diesem Fall lässt sich wie im Labor ein Reiz-Reaktions-Mechanismus feststellen. Der Reiz sind die Panama Papers – oder was von ihnen scheibchenweise präsentiert wird. Die Reaktion ist kollektive Abscheu über die Gründer von Briefkastenfirmen, gepaart mit der Forderung nach sofortiger Aktion des Staates. Zur Auswahl stehen etwa: die Ächtung der Republik Panama (das wäre wieder ein Fall für die Steinbrücksche Kavallerie), Druck auf Panama, das immer beliebte Bankenbashing, die Umkehr der Beweislast, ein Verbot von Wirtschaftsbeziehungen mit Steuerparadiesen, mehr Transparenz und besserer Informationsaustausch über Landesgrenzen hinweg sowie jede Menge neuer Regeln, Kontrollen, Gesetze und Behörden.

Ja. Es muss dringend gehandelt werden. Mindestens europaweit, wenn nicht global. Aber bitte erst nach sorgfältiger Analyse der Fakten und der Handlungsoptionen. In der Vergangenheit wurden zu viele Gesetze mit heißer Nadel gestrickt. Sie sollten vorgeblich erkannte Missstände beseitigen, in Wirklichkeit aber sollten sie der aufgeregten Bevölkerung das gute Gefühl vermitteln, dass „etwas geschieht“. Schon sehr bald erwiesen sich diese Regelungen aber als unwirksam oder undurchführbar. Daraus müssen wir lernen.

Acht Feststellungen drängen sich auf:

  1. Das Einrichten einer Briefkastenfirma an sich ist (noch?) nicht unrechtmäßig. Und es mag gute, durchaus nicht nur steuerliche und nicht nur unmoralische, Gründe geben, dies zu tun.
  2. Auch Steuervermeidung kann legal sein. Schließlich versucht der Staat mit einer Vielzahl von Abschreibungsmöglichkeiten, das Verhalten seiner Bürger in einer von ihm gewünschten Richtung zu beeinflussen, und lädt geradezu zur Steuervermeidung ein.
  3. In welchem Umfang rechtlich relevant mithilfe von „Panama-Firmen“ Steuern hinterzogen wurden, ist von Staatsanwälten und Gerichten zu beurteilen. Auch hier gilt – so schwer es fällt – die Unschuldsvermutung.
  4. Aber: Nicht alles, was Rechtens ist, ist auch ethisch vertretbar. Politiker und Unternehmensführer haben neben den Gesetzen auch ethische Maximen zu befolgen. Von „Corporate Social Responsibility“ darf nicht nur geredet, sie muss auch praktiziert werden. Über den Grad deren Einhaltung entscheiden aber nicht Gerichte, sondern Wähler, Käufer und Aktionäre.
  5. „Panama“ war allen verantwortlichen Politikern bekannt. Die Veröffentlichung kann ein heilsamer Schock sein. Wer sich indessen jetzt überrascht zeigt, ist ein Pharisäer.
  6. Es ist einfach und bequem, mit dem Finger auf den 3-Millionen-Einwohner-Kleinstaat Panama zu zeigen. Vergessen wir nicht, dass sich Großbritannien mit seinen Kanalinseln wie ein „europäisches Panama“ verhält. Ganz zu schweigen von den USA, die in Delaware tausenden Briefkastenfirmen eine Heimat bieten.
  7. Änderungen in Panama können nur durch Panama erfolgen. Mit Beschimpfungen und Hochnäsigkeit ist nichts zu erreichen, mit Verständigung und Verhandlungen alles.
  8. Besonders pikant ist die Rolle der Banken. Darunter sind auch Landesbanken wie die West LB unseligen Angedenkens und die HSH Nordbank, in deren Aufsichtsgremien Politiker gesessen haben, deren Augen offenbar verkleistert waren. Die
    gleichen Leute stimmen jetzt in das allgemeine Lamento ein, zeigen sich völlig überrascht und fordern staatliches Handeln. Pharisäer haben Hochkonjunktur.

Diese acht Feststellungen müssten Grund genug sein, mit Bedacht und Sorgfalt ans Werk zu gehen und sich nicht von Stimmungen zu voreiligen, aber nicht nachhaltigen Aktionen hinreißen zu lassen. Warum fangen wir nicht damit an, umzusetzen, was längst beschlossen ist? Die vierte Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU sieht Register zur Identifizierung der Hintermänner und –frauen von Briefkastenfirmen vor. Lasst uns in Europa vorleben, was wir von Panama und Co erwarten. Das überzeugt besser als die lauteste Rhetorik.

Oh wie schön ist Panama -  Roland von Hunnius Roland von Hunnius

Eine Antwort auf „„Oh wie schön ist Panama““

  1. Ergänzung zu 6: Auch in Deutschland haben Briefkastenfirmen ihren Sitz und das Steuerparadies Deutschland steht im aktuellen Steuerparadies-Ranking auf Platz 8 und damit noch vor Panama, das in diesem Ranking Platz 13 einnimmt. Hier nur ein Beispiel als Beleg: Firmen, die im Landkreis Ebersberg bei Erding in Oberbayern im Ebersberger Forst am Forsthaus, St. Hubertus Nr. 2 ihren Briefkasten angebracht haben, zahlen 7,00 € Gewerbesteuer von 100,00 € Gewinn, während dies z.B. im nahe gelegenen München 17,00 € sind.
    QUELLE: http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/inhalt/panama-ebersberger-forst-briefkastenfirmen-100.html

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